Emblems from the Bible
Erst der Gedanke, dass die ästhetischen Elemente der Malerei als eine Sprache benutzt werden können, macht das möglich. Sprache hat grundsätzlich wesentlich mehr mit Gesetzmäßigkeiten zu tun als die Malerei. Punkte, Linien und Farbe erzeugen noch keine Sprache, wohl aber ein Bild. (Günther Holler-Schuster)
Hiob the Rain, 2018, Öl auf Leinwand,70 x 95 cm
Guide you to ride high, 2018, Öl auf Leinwand, 80 x 80 cm
Nourish your body, 2018, Öl auf Leinwand, 70 x 95 cm
Bold are the Days, 2019, Öl auf Leinwand, 100 x 120 cm
The Body of Slane, 2020, Öl auf Leinwand,2 x 180 x 165cm
2021-3, 2021, Öl auf Leinwand, 100 x 100 cm
Konkurrierende Systeme –
Johanes Zechners Malerei eine Identitätsfrage?
von Günther Holler-Schuster
Zwei Zyklen sind es, die Johanes Zechner seit etwa 2017 beschäftigen. Sie sind Gegenstand der Betrachtung in diesem Buch. Dadurch, dass der eine die direkte Konsequenz des anderen ist, verlaufen ihre Grenzlinien sehr ungenau – man könnte beide zusammen auch gut als einen längeren Entwicklungsprozess begreifen. »Emblems from the Bible«, ab 2017, und »Questland« ab 2020, unterscheiden sich rein äußerlich durch die Tatsache, dass Zechner im einen Fall Schrift in Form von Textzitaten einsetzt, während er diese in der zweiten Phase nahezu völlig weglässt. Beide Zyklen verbindet miteinander, dass sie sich mit der abstrakten gestischen Malerei beschäftigen und deren Aussagekraft kritisch zu hinterfragen scheinen. Dabei soll nicht bewiesen werden, dass die gestische bzw. informelle Malerei noch Aktualität besitzt. Vielmehr geht der Künstler davon aus, dass sich die informelle Ausdrucksweise im Laufe der Jahre zu einem universellen, gleichsam stereotypisierten Formenkanon entwickelt hat. Seit den 1960er Jahren erleben wir innerhalb der Malerei den Pluralismus des »Anything goes«. Die völlige Methodenfreiheit enthob die Malerei von ihren klassischen Aufgaben der Darstellung. Die sichtbare Welt – der Gegenstand, die Figur, die Landschaft – gilt nicht mehr länger als Referenz für die Malerei. Sie wird in dem Moment selbstreferenziell. Die Malerei sucht sich ihre Referenzpunkte in der eigenen Historie. Man kann hier davon sprechen, dass sich die Malerei zu einer Metasprache entwickelt hat. Der Gegenstand oder die Psyche mögen im jeweiligen Fall inhaltlich noch eine Rolle spielen, grundsätzlich werden sie aber ersetzt durch die historischen Stile der abstrakten Malerei selbst. Diese werden somit gleichsam zum Zitatenschatz der Malerei. Das Kennzeichen der metasprachlichen Malerei ist ihre Zeichenrealität – Signifikanten der Abstraktion, frei flottierend mit vielschichtigen Bezügen auf die Geschichte der Malerei selbst. Die Malerei gelangt auf diese Weise im freien Spiel der malerischen Signifikanten zu neuen Entfaltungsmöglichkeiten. Sie ist aber gleichzeitig auch, wie das Bild allgemein, zu einer sozialen Konstruktion von Konventionen und ästhetischen Regeln geworden. Es besteht auf gewisse Weise ein sozialer Konsens darüber, was Kunst, was ein Bild oder was Malerei sei, der das
Visuelle bestimmt.
Johanes Zechner hat seine künstlerische Laufbahn zu Zeiten des Malereibooms der 1970er und 1980er Jahre begonnen. Sinnliches Erleben, spontanes Gestalten und freies Zitieren historischer Stilaspekte und Inhalte lösten damals eine wahre Bilderflut aus, wie ein letzter visueller Furor im analogen Zeitalter. Die Diskussion um die Postmoderne wurde zur heftigen Auseinandersetzung und trug zur Lagerbildung bei. Auf der einen Seite die Vertreter einer strengen Moderne, die sich mit den Formen einer postkonzeptuellen Medienkunst beschäftigten und auf der anderen Seite die ungestümen Dränger des »Anything goes«. Die Postmoderne plädiert offensiv für Vielheit und tritt alten und neuen Hegemonieansprüchen entschieden entgegen. Sie positioniert sich für die Vielheit heterogener Konzeptionen, Sprachspiele und Lebensformen. Ein radikaler Eklektizismus kennzeichnet das Prinzip der Postmoderne – Vermischung von unterschiedlichen Sprachen, Aneignung verschiedener Geschmackskulturen. Die explizite Wiederaufnahme der Vergangenheit, die als Zitat, Anspielung oder Verweis geschieht, führt zu einer Neuinterpretation der Tradition. Johanes Zechners Malerei ist sehr bestimmt von diesen Gedanken – hat zumindest dort wesentliche Wurzeln. Sein Zugang war stets ein experimenteller, ein die herrschenden Systeme und Konzepte befragender. Er hat immer in Zyklen gearbeitet, die sich formal oft höchst unterschiedlich präsentieren. Die inhaltliche Ebene bestimmt dabei die Form. Gegenständliche Malerei wird deswegen auch nicht anders als die abstrakte eingesetzt. Beide stehen auf Grund ihrer Zeichenhaftigkeit dem Maler als Formenrepertoire zur Verfügung. Ob sich dabei die Malerei vom Leinwandbild zum bemalten Objekt, zur Installation oder zur Schrift bzw. zum Text öffnet, ist inhaltsbedingt. Die hier verwendete Begrifflichkeit, die die Malerei durch ihre Zeichenhaftigkeit als Sprache bzw. als Kommunikationsmittel beschreibt, legt es nahe von zwei eigentlich unterschiedlichen Kontexten zu sprechen: von Malerei und von Text oder Sprache. Wobei Text hier nicht nur die formale Ebene der Buchstaben bzw. der Schrift bedeutet, sondern den literarischen Zusammenhang – bspw. der Lyrik – explizit meint. Johanes Zechners früheste Ambitionen gehörten der Literatur, dort wollte er eigentlich reüssieren. Das visuelle Gestalten (Zeichnen, Malen) war ihm damals schon vertraut und selbstverständlich. Es fiel ihm leicht. Erst die Erkenntnis als Literat bald an seine Grenzen gestoßen zu sein, öffnete endgültig den Weg zur bildenden Kunst bzw. zur Malerei. Er sah aber weiterhin im Poeten gleichsam ein Pendant zum Maler. Die Lyrik erschien ihm dabei als eine adäquate Ausdrucksform, die Sprachliches mit Visuellem zu verbinden im Stande ist. Es geht dabei zunächst nicht um die visuelle Komponente der Schrift, wie bspw. in der konkreten Poesie. Die Tatsache, dass eine Zeile, eine Strophe oder ein Gedicht einen erheblich größeren inhaltlichen Bogen zu spannen im Stande ist, als es zunächst den Anschein hat, ist hier bedeutsam. Die Verwandtschaft mit der Malerei scheint nämlich hier gegeben zu sein. Ein Gemälde besteht – ähnlich wie ein Text aus Buchstaben und Worten – aus ästhetischen Elementen (Punkt, Linie, Fläche, etc.) und baut sich somit ebenfalls aus der Summe seiner Einzelelemente zu einem komplexen Kosmos auf. Die Kongruenz zwischen Wort und Bild unterstreicht der Künstler durch das Malerische. Beides existiert gleichbedeutend in seinem Werk.
Man kann diesen Vergleich nur unternehmen, wenn man die Malerei als Zeichensystem akzeptiert. Die Dekonstruktion des klassischen Gemäldes in seine Bestandteile (Punkt, Linie, Farbe, Fläche, etc.) ist dafür wesentlich verantwortlich. Sie, die Mittel der Repräsentation von Realität, werden bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Kandinsky) verabsolutiert. Der von der Funktion losgelöste Pinselstrich wird zum eigentlichen Thema, zum Bildgegenstand, den man von der informellen Geste bis zur Transformation in unterschiedliche Materialien beobachten kann. In der gestischen Malerei des Informels avancieren die ästhetischen Elemente Punkt und Strich zu Variationen davon: zum Fleck, zum Spritzer, zum Gerinnsel. Der Pinselstrich wird immer heftiger bis hin zur Handlung in der Arena der Leinwand. Die körperlich-gestische Komponente hat sich bald daraus gelöst und ist zu Handlungen in Raum und Zeit übergegangen. Diesen möglichen Ausstieg aus der Malerei haben viele Künstler*innen vollzogen und sind damit einer Konsequenz gefolgt, die die Malerei ausgelöscht hat. Maler wie Johanes Zechner haben diese Intention nicht verfolgt. Vielmehr sind seine Bemühungen darin begründet, dem System Malerei neue Impulse zu verleihen bzw. die Malerei als universelle Sprache zu verwenden.
Damit wären wir wieder an der Kreuzung angelangt, wo Johanes Zechner steht und sich zu entscheiden versucht, ob es in Richtung Literatur oder in Richtung Malerei weitergehen soll. Umberto Ecos Auseinandersetzung mit Malerei, die im Zusammenhang mit seiner semiotischen Theorie steht, mag einen erhellenden Denkanstoß dazu liefern. Eco erfasst ein Gemälde ebenso als Zeichensystem wie eine sprachliche Äußerung in Laut und Schrift. Auch er bedient sich dabei in seiner Darstellung der informellen Malerei als Beispiel. Der Aspekt der Offenheit ist für ihn in dem Moment entscheidend.(1) Im Informel wird die Malerei zur maximalen Offenheit geführt, die möglichen Informationsvarianten steigen scheinbar ins Unendliche. Der besondere Wert der Malerei liegt angesichts dieser Überlegung in der »neuartigen Organisation des gegebenen Materials.« (2) Der spielerische Zugang wurde bereits angesprochen, erfährt aber andernorts noch eine besondere Zuspitzung. Jean-Francois Lyotard, einer der zentralen Theoretiker der Postmoderne, prägt den Begriff der »Malereispiele«. Die unterschiedlichsten Malvarianten sind nun möglich. Die Mannigfaltigkeit der malerischen Experimente stellt Lyotard in einen Zusammenhang mit Wittgensteins Idee der »Sprachspiele«: »Und diese Mannigfaltigkeit ist nichts Festes, ein für allemal Gegebenes; sondern neue Typen der Sprache, neue Sprachspiele, wie wir sagen können, entstehen und andere veralten und werden vergessen.« (3) Ähnlich ist es für Lyotard in Bezug auf die Malerei mit ihren vielfältigen Möglichkeiten von Malereispielen. Der zuvor schon erläuterte Gedanke der Metasprachlichkeit der Malerei steht damit in enger Beziehung.
Wieder stehen wir mit Johanes Zechner vor der Frage nach der Entscheidung, wie mit den beiden Komponenten Malerei und Literatur umzugehen sei. In kaum einer Werkphase thematisiert der Künstler diesen Konflikt deutlicher und drängender als in den beiden hier zur Disposition stehenden – »Emblems from the Bible« und »Questland«. »Emblems from the Bible« wartet mit schweren Geschützen auf: Ein religiöser Text, der einem Naturgesetz gleichkommt und monolithisch dasteht. Der Künstler lenkt dabei den kreativen Akt zunächst auf den Prozess der Selektion. Nicht eigene Wortschöpfungen kommen zum Einsatz, sondern Zitate aus einem bestehenden Text sind Ausgangspunkt der weiteren Überlegung. Der »Tannach« – die Hebräische Bibel, die Sammlung heiliger Texte des Judentums – ist der Fundort dieser, später in die Bilder integrierten Textpassagen. Durch die Isolierung vom ursprünglichen Textzusammenhang und die Neuübersetzung durch den Schriftsteller und Übersetzer Peter Waterhouse ins Englische, erfahren der Text bzw. die verwendeten Zitate neue Bedeutungsebenen. Sie befreien sich – ähnlich wie die Malerei von der Darstellung – vom eigentlichen Inhalt. Man kann sie gleichsam in ihrer poetischen bzw. lyrischen Wertigkeit erfassen. Sie bekommen ein Eigenleben und öffnen sich damit einer vielfältigeren Rezeption. Diese Bilder lassen die Schrift manchmal dominant erscheinen. Sie integriert sich aber auch oft fast bis zur Unerkennbarkeit in das Gesamtkonzept des Bildes. Man kann dabei die gestische Folie, vor bzw. auf der die Textzitate angeordnet sind, nicht als Visualisierung im Sinne der Illustration eines Textes verstehen. Vielmehr ist die Malerei hier Ausdruck eines kulturellen Konsenses, was Malerei sei bzw. welcher wesentlichen Indikatoren es bedarf sie als solche zu erkennen und zu definieren. Ihre Buchstaben und Wörter bestehen aus Flecken, Punkten, Linien, Flächen, Gerinnseln, Vertreibungen von Farbsubstanz durch Rakeln und anderer Werkzeuge. Diese bilden zusammengenommen gleichsam den Text der Malerei.
Es ist nur konsequent, dass sich in einer weiteren Phase die visuelle Gestaltung vordrängt und dominant wird. In »Questland« fehlen die Schriftzeichen. Die Malerei selbst wird als Schrift adressiert. »Questland« funktioniert für den Künstler auch als Sprachspiel: »Questland = Land of Questions und auch Land der Herausforderungen und der Fragen, die ich an die Malerei stelle. Ein autonomes, sehr schwer zugängliches Gebiet.« (4) In vielen der Gemälde aus dem Zyklus »Questland« gibt es visuelle Lesbarkeiten. Man ist sich als Betrachter*in nicht sicher, ob sich diese Konfigurationen, die an Landschaften, Gesichter, Figuren, etc. erinnern, auch tatsächlich das sind, was man vermutet – es mag vom individuellen Betrachtungspunkt abhängig sein. Der Künstler gibt nur Andeutungen und appelliert an diesem Punkt an das visuelle bzw. kulturelle Bewusstsein des Publikums. Es erscheint daher auch nachvollziehbar zu sein, warum manche Bilder eine Leerstelle (»Void«) aufweisen. Die weißen Stellen können sich in die Gestaltung integrieren und als solche camoufliert erscheinen oder dominant als Auslassungen auftreten. Diese als »Weiße Flecken« bzw. «Weiße Löcher« (in Anspielung auf die »Schwarzen Löcher«) zu bezeichnenden Zonen im Bild können aber auch als Zeichen der Offenheit des Kunstwerks (Eco) gelesen werden. In ihnen liegt für den Künstler, genauso wie für das Publikum, der Platz für das Unbekannte bzw. das Unbestimmte.
In keiner Werkphase zuvor versuchte Johanes Zechner näher an die Thematik der eigenen Konfliktsituation zwischen Malerei und Literatur heranzukommen. Die scheinbare Formdiskussion wird hier zur Identitätsfrage – Maler oder Schriftsteller. Wobei diese Frage mittlerweile geklärt scheint. Der Konflikt bzw. der innere Druck, sich in die eine oder die andere Richtung entscheiden zu müssen, wirkt offenbar als kreativer Antrieb. In der akzeptierten Unentschiedenheit liegt wohl das Potential dieser Kunst.
Man kann sich Zechners Situation als den Schauplatz einer Auseinandersetzung bzw. eines Kampfes zweier Systeme vorstellen. Luhmanns Systemtheorie mag dabei als Instrumentarium nützlich sein. Seine Theorie sieht Systeme vor – bspw. die Malerei und die Literatur. Diese sind umgeben von einer »Umwelt«. Diese »Umwelt« hat nichts mit dem Ökologiegedanken zu tun, meint also nicht unsere Umwelt, unseren Lebensraum. Vielmehr ist damit die Tatsache gemeint, dass an den Grenzen eines Systems etwas anderes kommen muss, das allgemein als »Umwelt« zu bezeichnen ist. Das kann selbstverständlich auch spezieller gesehen werden und ein anderes System sein. Systeme interagieren nicht notwendigerweise miteinander. Sie können das aber tun und diese Interaktion ist von der jeweiligen Differenz zu- bzw. voneinander abhängig. Für Luhmann ist der Gedanke der »Differenz« zwischen den Systemen und ihrer »Umwelt« entscheidend. In dieser Dynamik ist die Wirkungsweise der Systemtheorie begründet. Maximale Differenz bedeutet ein Höchstmaß an Unabhängigkeit eines Systems. Je weiter sich die Differenz auflöst, desto eher entsteht eine Form der Interaktion zwischen den Systemen. Durch die »Autopoiesis« (Prozess der Selbsterschaffung und Selbsterhaltung eines Systems), die Grundvoraussetzung eines Systems ist, operieren die Systeme auf ihre Weise selbsttätig.(5) Wenn man sich nun die Malerei und die Literatur jeweils als System vorstellt, werden ihre grundsätzlichen und pragmatischen Unterschiede sofort offenkundig. Ihre Differenz ist jedoch, wie man am Beispiel Zechners sieht nicht immer maximal. Das eine System ist hier zweifellos »Umwelt« des andern Systems. In Zechners Fall findet die Interaktion bzw. die Überlagerung der beiden Systeme von jeher auf der Basis des Ausmaßes der Differenz statt. Dieser Prozess ist somit flexibel und zeitabhängig – Differenzschwankungen zu unterschiedlichen Zeiten, unterschiedlich dicht.
Johanes Zechner ist sich dieser Dynamiken oder Prozesse durchaus bewusst. Seine Malerei ist somit deutlich metasprachlich. Die beiden aktuellen Zyklen »Emblems from the Bible« und »Questland« sind Zeugnisse dieses künstlerischen Bewusstseins. War es zunächst noch eine inhaltliche Annäherung an die Malerei – durch die Bibelzitate und deren Transformation in poetische Sentenzen – so erübrigt sich das im nächsten Schritt. Literatur allgemein, die Bibel hier im Speziellen, sind für Zechner grundsätzlich Elemente zur Aktivierung des Malereibewusstseins. Sie erfüllen gleichsam den Zweck des Vorwandes zu malen. Der ständige Charakter des Wechsels erhöht für den Künstler aber auch den Grad an Experimentierfreudigkeit. Es scheint ein ständiges Abwägen zu sein, auf welches System man sich als Künstler einlässt. Grundsätzlich passiert derlei selbstverständlich und oft auch unbewusst. Doppelbegabungen unterschiedlichster Art geben dafür jede Menge Beweise. Diese Prozesse bewusst zu machen, sie zur Basis künstlerischer Auseinandersetzung zu machen, ist Teil des eigenständigen künstlerischen Weges von Johanes Zechner.
»Sprachspiele«, »Malereispiele«, »Offenheit«, »System«, all diese Begriffe helfen dabei, sich die Malerei in der jeweiligen Zeit vorzustellen. Würde für Zechner nicht die spezielle Disposition einer Doppelbegabung zutreffen, wäre es sicher nicht so naheliegend Sprache und Bild auf derartig enge Weise zueinander zu führen. Man muss grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass die Kunst der Malerei eine Sprache sei. Erst der Gedanke, dass die ästhetischen Elemente der Malerei als eine Sprache benutzt werden können, macht das möglich. Sprache hat grundsätzlich wesentlich mehr mit Gesetzmäßigkeiten zu tun als die Malerei. Punkte, Linien und Farbe erzeugen noch keine Sprache, wohl aber ein Bild. Es muss Regeln geben, nach denen wir erklären können, wie Sprache funktioniert. Gemeinsam haben Malerei und Sprache allerdings das Element der Kommunikation. Sprache ist zweifellos eine Form der Kommunikation. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle kommunikationsformen auf Sprache basieren. Es scheint so zu sein, dass man mit der Behauptung, die Malerei sei eine Sprache, nicht zwischen Kommunikation und Sprache unterscheidet. In Zechners Fall verhält es sich anders. Er behauptet nicht, dass seine Malerei Sprache sei. Sie erfüllt gewisse Kriterien von Sprache, ihr liegt aber nicht wie dieser ein gültiges Regelwerk zugrunde, das sie allgemein zugänglich und anwendbar macht. Aspekte wie Kommunikation, Kalligrafie oder visuelle Lesbarkeit ergeben sich schon, aber in einem spielerischen Prozess. Es werden vom Künstler Spekulationen unternommen, die das Eine im Anderen sichtbar und erfahrbar machen. In der Dynamik der konkurrierenden Systeme liegt die Kraft dieser Kunst.